Rückbau und Recycling

Zum Jahresende 2022 umfasste der bundesweite Bestand 28.440 Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von fast 58 Gigawatt. Etwa 6.000 dieser Anlagen sind inzwischen älter als 20 Jahre, und knapp 7.000 haben das Alter von 15 Jahren bereits überschritten. Seit 2020 läuft die Förderung für ältere Anlagen sukzessive aus. Und auch wenn sich viele der Windenergieanlagen aufgrund der in den letzten Monaten hohen Marktpreis-Vergütung im Weiterbetrieb befinden, wird ein großer Anteil des Bestandes in den nächsten Jahren das Ende der Betriebszeit erreichen. Damit rücken der Rückbau und das Recycling zunehmend in den Fokus.
Rechtliche Vorgaben
Ein zentrales Gesetz oder eine einheitliche Verordnung, die sich mit dem Rückbau von Windenergieanlagen beschäftigt, existieren in Deutschland bislang nicht.
Die Betreiber sind nach der Stilllegung einer Anlage baurechtlich zu einem geordneten Rückbau und zu einer fachgerechten Entsorgung der Komponenten verpflichtet. Bereits seit 2004 müssen sie zur Schonung des Außenbereichs nach § 35 Abs. 5 Satz 2 i. V. m. Satz 3 des Baugesetzbuches (BauGB) zur Deckung der Rückbaukosten inklusive der Beseitigung von Bodenverdichtungen eine Bankbürgschaft vorweisen. Dabei wird die Abgabe der Verpflichtungserklärung zum Rückbau als „weitere Zulässigkeitsvoraussetzung“ zwingender Bestandteil der zu erteilenden Genehmigungen. Die zuständige Baubehörde stellt im Rahmen ihrer Prüftätigkeit sicher, dass der Vorhabenträger eine dahingehende Erklärung abgibt und dies durch entsprechende Sicherungsmittel flankiert wird.
Darüber hinaus beinhaltet das BauGB auch die Möglichkeit, den Anlagenrückbau im Rahmen von Bebauungsplänen sicherzustellen. Nach § 249 Abs. 8 BauGB kann die Neu-Errichtung von Windenergieanlagen zugleich mit konkreten Vorgaben zum Anlagenrückbau verbunden werden. Konkretere Gestaltungsmöglichkeiten haben Gemeinden und Betreiber bei Vereinbarungen im Rahmen städtebaulicher Verträge (§ 11 BauGB).
Sofern die ausgedienten Anlagen nicht im Rahmen eines Second-Life weiterverwendet werden können, sind sie als Abfall gemäß den Vorgaben des Kreislaufwirtschaftsgesetzes (KrWG) zu entsorgen. Hiernach ist Abfall in erster Linie zu vermeiden. Danach folgen in der Prioritäten-Rangfolge die „Vorbereitung zur Wiederverwertung“ sowie das „Recycling“.
Recycling und Rückbau in der Praxis
Komponenten einer Windenergieanlage sind neben dem Fundament und dem Mast ein Rotor mit Nabe und Rotorblättern sowie einer Maschinengondel, die den Generator und – außer bei getriebelosen Anlagen – ein Getriebe enthält. Weit mehr als 90 Prozent einer Anlage lassen sich wiederverwerten bzw. recyceln.
Vor dem Rückbau ist der Betreiber verpflichtet, eine Rückbauanzeige zu stellen. Dann wird die Anlage vom Netz genommen und damit stillgelegt. Getriebe- sowie andere Öle, Fette etc. werden entnommen und einer Verwertung nach der Altölverordnung zugeführt. Die Rotorblätter werden mithilfe eines Krans demontiert. Die Zerlegung erfolgt am Boden mittels eingehauster Sägen, um ein Entweichen von Fasern und Stäuben in die Umgebung zu verhindern.
Die Segmente von Stahl- oder Gittertürmen sowie auch Betonhybridtürmen werden i. d. R. schrittweise mechanisch demontiert. Selten ist bei Hybridtürmen eine Sprengung erforderlich. Flach gegründete Fundamente werden vollständig zurückgebaut. Bei Pfahlgründungen ist abzuwägen, ob ein Rückbau bis in einige Meter Bodentiefe ausreicht, da mit einer vollständigen Beseitigung ein erheblicher Eingriff in die Bodenstruktur verbunden sein kann.
Die überwiegend aus Stahlbeton und Stahl bestehenden Türme und Fundamente lassen sich problemlos und vollständig recyceln. So wird der Fundament- und Turm-Beton vor Ort zerkleinert und im Straßen- und Wegebau verwendet. Der Stahl wird der Stahlproduktion zugeführt.
Die Rotorblätter bestehen in der Regel zu fast zwei Dritteln aus faserverstärkten Kunststoffen, zu knapp einem Drittel aus Harzen und Klebern. Bei älteren Anlagen wurden größtenteils Glasfasern verwendet (GFK), für Rotorblätter der jüngeren Generation werden auch Carbonfasern eingesetzt (CFK). Auch befinden sich geringe Kupfer- und Aluminiumbestandteile in den Blättern, die zurückgewonnen werden können. Mehr als 80 Prozent des Materials gehen in die Zementindustrie, wobei das verbrennende Epoxidharz die Prozesswärme liefert und die Glasfasern die für die Zementherstellung notwendigen Zuschlagstoffe ersetzen. Größere Probleme bereitet hingegen die Verwertung der CFK-Segmente. Hier werden seit einigen Jahren spezielle Verfahren zur Faserrückgewinnung durch Pyrolyse erprobt.
Weitere Informationen
FA Wind Aktivitäten
- Fachforum am 7. November 2019 in Linstow: Kompetenztag Windenergie an Land
- Fachaustausch am 4. September 2018 in Bremen: Brechen & Sieben - Fachaustausch zu End-of-Life von Windenergieanlagen
FA Wind Veröffentlichungen
- FA Wind (2021): Rückbau von Windenergieanlagen - Ein Blick auf die Rückbauverpflichtung und weitere städtebauliche Instrumente
- FA Wind (2018): Breaking & Sifting - Expert exchange on the end-of-life of wind turbines
- FA Wind (2018): Brechen & Sieben - Fachaustausch zu End-of-Life von Windenergieanlagen
Weiterführende Informationen
- Umweltbundesamt (2023): Entwicklung eines Konzepts und Maßnahmen zur Sicherung einer guten Praxis bei Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen. Abschlussbericht (Texte 48/2023)
- Umweltbundesamt (2022): Entwicklung von Rückbau- und Recyclingstandards für Rotorblätter. Abschlussbericht (Texte 92/2022)
- Umweltbundesamt (2019): Entwicklung eines Konzepts und Maßnahmen für einen ressourcensichernden Rückbau von Windenergieanlagen. Abschlussbericht (Texte 117/2019)
- Bundesverband WindEnergie e.V. (2019): Rückbau und Recycling von Windenergieanlagen
- DIN SPEC 4866, 2020-10: Nachhaltiger Rückbau, Demontage, Recycling und Verwertung von Windenergieanlagen