Windradverbot in Thüringer Wäldern gekippt

11.11.2022

Bundesverfassungsgericht erklärt den Verbotspassus im Thüringer Landeswaldgesetz für verfassungswidrig.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 27. September 2022 (Az.: 1 BvR 2661/21) entschieden, dass das Verbot der Änderung der Nutzungsart von Waldflächen zur Errichtung von Windenergieanlagen in § 10 Abs. 1 Satz 2 des Thüringer Waldgesetzes nicht mit dem Grundgesetz vereinbar und damit nichtig ist. Die Vorschrift greift nach Auffassung des Gerichts unzulässigerweise in das von Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützte Eigentumsrecht der beschwerdeführenden Waldeigentümer ein. Der Erste Senat kam zu der Entscheidung, dass Bundesländer Windenergieanlagen im Wald nicht ausnahmslos verbieten können, denn die Gesetzgebungskompetenz dafür liege nicht bei den Ländern, sondern beim Bund.

In den Gründen nimmt das Gericht auch auf die Verpflichtung des Staates zum Klimaschutz und die notwendige Sicherung der Energieversorgung Bezug: „Inhaltlich spricht gegen eine Durchbrechung der in § 35 Abs. 1 Nr. 5 BauGB geregelten Privilegierung durch § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG, dass der Ausbau der Nutzung der Windkraft einen faktisch unverzichtbaren Beitrag zu der verfassungsrechtlich durch Art. 20a GG und durch grundrechtliche Schutzpflichten gebotenen Begrenzung des Klimawandels leistet. Um das verfassungsrechtlich maßgebliche Klimaschutzziel zu wahren, die Erderwärmung bei deutlich unter 2,0 °C, möglichst 1,5 °C anzuhalten, müssen erhebliche weitere Anstrengungen der Treibhausgasreduktion unternommen werden, wozu insbesondere der Ausbau der Windkraftnutzung beitragen soll. Zugleich unterstützt dieser Ausbau die Sicherung der Energieversorgung, die derzeit besonders gefährdet ist. Vor diesem Hintergrund liegt es bei objektiver Betrachtung fern, dass das Bundesrecht auf eine zentrale Klimaschutz- und Energieversorgungsstrategie, nämlich die im Bauplanungsrecht privilegierte Zulassung der Windenergienutzung, in nennenswertem Umfang verzichten könnte, indem es über § 9 Abs. 3 Nr. 2 BWaldG den Ländern – zumal denen mit so hohem Waldanteil wie Thüringen – erlaubte, durch landesrechtliche Umwandlungsverbote die Windenergieerzeugung auf Waldflächen vollständig auszuschließen.“

Gegen das im Dezember 2020 vom Thüringer Landtag – auf Bestreben von CDU und FDP – beschlossene Verbot der Nutzungsänderung von Waldflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen hatten mehrere Waldeigentümer in Karlsruhe Verfassungsbeschwerde eingelegt, da nach ihrer Auffassung das Verbot einen ungerechtfertigten Eingriff in ihr Privateigentum darstelle.

Neben Thüringen schließen auch Schleswig-Holstein (§ 9 Abs. 3 Satz 3 LWaldG) und Sachsen-Anhalt (§ 8 Abs. 1 Satz 3 LWaldG) durch Gesetz die Nutzung von Waldflächen für die Errichtung von Windenergieanlagen ausnahmslos aus. Im Lichte dieser Gerichtsentscheidung dürften auch diese Regelungen auf den Prüfstand zu stellen und gegebenenfalls zu korrigieren sein.

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